BAC Bischöfliches Archiv Chur
© BISCHÖFLICHES ARCHIV CHUR / SCHWEIZ – Hof 19 – 7000 Chur
Urkunden - Schriftstücke zur Rechtssicherheit und als rechtswirksames Zeugnis
Die Pergamenturkunden im BAC
1. Die schriftliche Quelle „Urkunde“
Bei
der
üblichen
Dreiteilung
des
herkömmlichen
archivischen
Schriftguts
in
Urkunden,
Akten
und
Amtsbücher
stehen
die
Urkunden
als
wichtige
wie
älteste
schriftliche
Quelle
seit
dem
Mittelalter
an
erster
Stelle.
«Urkunden
sind
Schriftstücke
zur
Rechtssicherheit,
abgefasst
unter
Beachtung
bestimmter
Formen
der
Textgestaltung
und
Beglaubigung,
um
über
Rechtshandlungen
oder
rechtliche
Tatbestände
rechtswirksames
Zeugnis
zu
geben.»
(Eckhart
G.
Franz,
Einführung
in
die
Archivkunde,
Darmstadt
7
2007, S. 49).
In
Europas
Mitte
ist
diese
Form
der
schriftlichen
Aufzeichnung
des
Verwaltungs-
und
Rechtslebens
im
Zusammenhang
mit
der
Herausbildung
des
fränkischen
Reiches
seit
dem
6.
Jahrhundert
nachweisbar
und
behauptete
sich
als
einzige
Form
der
Schriftlichkeit
bis
zum
Ende
des
12.
Jahrhunderts.
Erst
danach
«entstehen
und
verbreiten
sich
zunehmend
neue
Formen
des
Verwaltungsschriftguts,
die
über
das
Urkundenwesen
hinaus
weisen
und
zum
Aktenwesen
überleiten»
(Josef
Hartmann,
Urkunden,
in:
Friedrich
Beck
/
Eckart
Henning
[Hrsg.],
Die
archivalischen
Quellen,
Köln
3
2003, S. 9–39, hier S. 9).
Als
Mittel
der
Beglaubigung
stehen
dem
Aussteller
einer
Urkunde
die
Unterschrift,
auch
das
seit
dem
10.
Jahrhundert
belegte
Chirograph,
vor
allem
aber
das
Siegel
als
«die
im
Mittelalter
vorherrschende
Beglaubigungsform»
zur
Verfügung
(ebd.
S.
10).
Obwohl
unzureichend
und
irreführend,
werden
die
Urkunden
des
Mittelalters
meist
in
Kaiser/Königs-,
Papst-
und
Privaturkunden
eingeteilt;
nach
dieser
Gliederung
wären
bei
den
Privaturkunden
sowohl
alle
selbständigen
Herrschaften
wie
der
Fürsten
und
Landesherren,
der
Bischöfe,
Domkapitel,
Klöster
und
Konvente,
der
Städte und Gemeinden als auch der privaten Personen einzugliedern.
Am
Ende
des
12.
Jahrhunderts
steht
in
der
Gestalt
der
Siegelurkunde
«eine
allgemein
anerkannte
und
verbreitete
schriftliche
Dokumentation
für
Rechtshandlungen
zur
Verfügung»
(ebd.
S.
15
f.)
und
hält
sich
trotz
Einführung
neuer
Formen
des
Verwaltungsschriftgutes,
wie
die
des
Aktenwesens,
für
gewisse
Urkundenformen
(Privilegien,
Lehen,
notarielle
Beglaubigungen, Staatsverträge) bis in die Neuzeit und Gegenwart.
2. Der Urkundenbestand im BAC
Von
seiner
Bedeutung
vor
allem
für
die
mittelalterliche
Geschichte
Bündens
hat
das
BAC
eine
klare
Vorrangstellung.
Es
birgt
«das
weitschichtigste
Material,
das
weder
an
Alter
noch
an
Umfang
von
irgendeinem
anderen
geistlichen
oder
weltlichen
Archiv
Graubündens
erreicht
wird»
[BUB
I
(Chur
1955),
S.
XII].
Seine
Überlieferung
entspricht,
auch
wenn
sie
nicht
ganz
vollständig
erhalten
ist,
der
politischen
Bedeutung
des
Bistums
Chur
in
regionaler
und
gesamtkirchlicher
Hinsicht.
Der
Churer
Bischof
war
bis
zur
Reformation
Landesherr
und
Haupt
der
Gotteshausleute
/
(seit
1367)
des
Gotteshausbundes.
Auf
dem
Territorium
des
Hochstifts
–
dazu
gehörte
ausserhalb
des
eigentlichen
Bistumsgebiets
auch
die
Herrschaft
Grossengstingen
in
Schwaben
(heute
Baden-Württemberg)
vom
10.
Jahrhundert
bis
1717
–
besass
er
die
niedere
und
hohe
Gerichtsbarkeit.
Vom
12.
Jahrhundert
bis
1803
war
der
Bischof
von
Chur
gleichzeitig
geistlicher
Reichsfürst
des
Heiligen
Römischen
Reichs
Deutscher
Nation.
Urkundlich
nachweisbar
gilt
Bischof
Wido
(1096–1122)
als
erster
Fürstbischof;
als
letzter
geistlicher
Reichsfürst
überhaupt
starb
1833
Karl
Rudolf
von
Buol-
Schauenstein
(Bischof
von
Chur
1794–1833,
von
1824–1833
gleichzeitig
auch
Bischof von St. Gallen [des Doppelbistums Chur-St. Gallen 1824–1836]).
Der
im
BAC
bis
in
das
8.
Jahrhundert
zurückreichende
Pergament-
Urkundenbestand
–
erstmals
im
12.
Jahrhundert
mit
Rückenvermerken
versehen
und
geordnet
–
wurde
nach
dem
Archivumbau
2005–2007
(in
der
1883
durch
Archivar
Christian
Modest
Tuor
begonnenen
chronologischen
Ordnung)
neu
registriert
und
gleichzeitig
digitalisiert.
Sein
Gesamtbestand
(772/774–2007)
kann
mit
über
4500
Exemplaren
beziffert
werden.
Die
ganz
alten
Pergamente
sind
restauriert
und
plangelegt
worden
(Atelier
Martin
Strebel
AG,
Hunzenschwil);
sämtliche
Urkunden
mit
anhängenden
Siegeln
werden
kontinuierlich
restauriert,
in
speziell
dafür
hergestellten
flachen
säurefreien
Schachteln
(Oekopack
Conservus
AG,
Spiez)
eingepasst
und
liegend gelagert.
Zwischen
772/774
–
einer
Urkunde
Karls
des
Grossen
–
und
1196
existieren
45
Pergamenturkunden;
von
1200
bis
1299
wächst
die
Sammlung
auf
172.
1300
bis
1399
gibt
es
einen
Zuwachs
um
537
Pergamente.
Ein
weiterer
stolzer
Zuwachs
ist
im
15.
Jahrhundert
zu
verzeichnen:
Zwischen
1400
und
1499
zählen
wir
1286
neue
Stücke.
1600
weist
der
Bestand
dann
über
3000
Pergamente
auf.
Entscheidend
für
die
Aufbewahrung
auf
der
Grundlage
der
Doppelstellung
des
Churer
Bischofs
als
geistlicher
Oberhirte
und
bedeutender
Territorialherr
(bis
zur
Reformation)
war
das
rechtliche,
nicht
aber
das
historische
Moment.
Das
Jahrhundert
der
Katholischen
Reform
lässt
den
Bestand
allmählich
auf
3950
anwachsen;
bis
Mitte
des
19.
Jahrhunderts kommen noch einmal beinahe 450 Urkunden hinzu.
Das
BAC
enthält
neben
den
Originalurkunden
auf
Pergament
diverse
Kopialbücher
(alte
Abschriften
auf
Papier).
Da
ist
zunächst
der
«Liber
de
feodis»
zu
nennen,
der
in
seinen
Hauptteilen
zwischen
1378
und
1380
entstand
und
der
zahlreiche
Auszüge
und
Urkundenabschriften
aufweist.
Dann
ist
das
äusserst
wertvolle
und
gut
erhaltene
«Cartularium
magnum»
(Cartular
A)
zu
erwähnen,
welches
zwischen
1456
und
1462
vom
Mendikanten
Johannes
von
Nürnberg
angelegt
wurde.
Die
Dorsualnotizen
über
Inhalt,
Signierung
und
Nummerierung
auf
den
Rückseiten
der
Pergamente
(bis
zum
Jahre
1456)
stammen
von
seiner
Hand.
Die
von
ihm
vorgenommene
Archivordnung
entsprach
dem
im
Mittelalter
gebräuchlichen
Schema,
die
Urkunden
in
Hauptgruppen
zu
unterteilen:
(A)
Gruppe
der
Papalia
,
(B)
Gruppe
der
Imperialia
sive
Regalia
,
(C)
Gruppe
der
E
piscopalia
,
etc.
Weiter
erwähnenswert
sind
die
Urbare
(ab
Mitte
des
15.
Jahrhunderts).
Als
wichtige
Quellen
kommen
auch
die
vier
Bände
des
«Necrologium
Curiense»
(aus
dem
12.
und
13.
Jahrhundert)
in
Betracht,
da
sie
hin
und
wieder
urkundliche
Einträge
enthalten.
Dieses
Opus
aus
dem
Hochmittelalter
erschien
2008
als
Faksimile
unter
dem
Titel
‚Necrologium
Curiense.
Mittelalterliche
Toten-
und
Jahrzeitbücher
der
Kathedrale
Chur‘
im Urs Graf Verlag, Dietikon-Zürich.